Schutz des Unterwasserkulturerbes

Seit jeher üben Berichte über versenkte Schätze, versunkene Schiffe oder von den Fluten verschlungene Kulturen eine große Faszination auf Menschen aus. Schon der Begriff „Unterwasserarchäologie“ lässt im Geist Sehnsüchte, ja Mythen entstehen und findet literarischen Niederschlag; vom philosophischen Idealmodell bis zu den sensationsheischenden Schlagzeilen der Boulevardpresse.

Viele Taucher versuchten daher auf eigene Faust diese Schätze aus den Tiefen zu bergen. Deshalb ist die historische Entwicklung des Tauchens ganz allgemein und die Geschichte der Unterwasserarchäologie im Speziellen vor allem eine Entwicklungsgeschichte diverser Bergungstechnologien die eine bis dahin unzugängliche Lebenswelt für die Allgemeinheit geöffnet haben. Dies brachte Vorteile, wie etwa den effizienten Einsatz von Tauchern für unterwasserarchäologische Tätigkeiten, aber auch große Nachteile mit sich. Viele unter Wasser liegende Kulturgüter und –stätten, für Jahrhunderte oder gar Jahrtausende durch ihre sauerstoffarme Umgebung perfekt geschützt und erhalten, sind innerhalb von zwei, drei Jahrzehnten vernichtet und geplündert worden.

Bemerkenswerterweise erhielt archäologisches Unterwasserkulturerbe in der Vergangenheit weder die gleiche Aufmerksamkeit noch gleichwertigen Schutz wie archäologisches Kulturgut an Land.1 Erst in den Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts setzte ein Umdenkprozess ein, welcher durch den spektakulären Fund des berühmten Uluburun Wracks, eines der ältesten Schiffswracks der Welt, das zur Bronzezeit (ca. 1400 v. Chr.) vor der türkischen Küste, östlich des heutigen Städtchens Kaş, gesunken war, wesentlich beschleunigte. Die immense wissenschaftliche Bedeutung des Fundes wurde erkannt und das Schiffswrack, von dem seit 1982 mehr als 20 Tonnen Kulturgut – Gold- und Silberschmuck, Waffen, Gegenstände aus Bronze und Ton, aber auch Organisches wie etwa Nüsse und Früchte – geborgen und erforscht werden konnten, im Museum für Unterwasserarchäologie in Bodrum ausgestellt.2

Aber nicht Taucher und Schatzsucher alleine, sondern vor allem menschliche Eingriffe in die Gewässer, die sich in mittelbaren und unmittelbaren Baumaßnahmen wie der Anlage von Häfen, Molen oder Ufereinbauten, dem Ankerwerfen sowie der Errichtung von Kanälen oder Staumauern und ähnlichen Objekten manifestieren, führen zu unwiederbringlichen Zerstörungen, die für eine breite Öffentlichkeit unsichtbar bleiben.

Welche (rechtlichen) Schutzinstrumente gibt es?

Auf nationaler Ebene sehen einige nationale Denkmalschutzgesetze Tauchverbote und die Errichtung archäologische Schutzzonen vor. Doch für einen effektiven Schutz des Unterwasserkulturerbes sind rein innerstaatliche Regelungen nicht ausreichend, zum einen, weil sich viele der Fundstätten auf Hoher See und somit außerhalb des Territoriums eines Küstenstaates befinden, zum anderen weil der illegale Handel mit unrechtmäßig geborgenen Unterwasserkulturgütern in den allermeisten Fällen grenzüberschreitend stattfindet.

Von besonderer Bedeutung scheint also der Schutz auf internationaler Ebene: Hier kommen im Rahmen ihrer inhaltlichen Reichweiten sowohl die UNESCO-Konvention über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut aus dem Jahr 1970 sowie die UNIDROIT-Konvention über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter aus dem Jahr 1995 auch für Unterwasserkulturgüter zur Anwendung.3 Während die UNESCO-Konvention 1970 den Erwerb illegal aus einem Vertragsstaat verbrachter Unterwasserkulturgüter durch Museen oder ähnliche Institutionen sowie den Import aus einem Museum oder einer ähnlichen Institution gestohlener Unterwasserkulturgüter untersagt und internationale Zusammenarbeit für den Fall der Gefährdung archäologischer Kulturgüter in einem Vertragsstaat vorsieht, geht die UNIDROIT-Konvention einen Schritt weiter, da sie auch nicht inventarisierte Kulturgüter – was auf die meisten Unterwasserkulturgüter in besonderem Maße zutrifft – bzw. Kulturgüter aus Plünderungen erfasst.4

Von besonderer Bedeutung für den Schutz des Unterwasserkulturerbes ist die von der 31. UNESCO-Generalkonferenz im November 2001 verabschiedete Konvention zum Schutz des Kulturerbes unter Wasser.5

Die Unterwasserkulturerbe-Konvention ist als vierte Kulturgüterschutzkonvention der UNESCO am 2.1.2009 in Kraft getreten und hat das Ziel, weltweit einen besseren Schutz des Unterwasserkulturerbes zu gewährleisten. Die Konvention legt Grundprinzipien zum Schutz des Unterwasserkulturerbes fest, beinhaltet detaillierte Ausführungen zum Kooperationssystem zwischen den Vertragsstaaten und sieht Regeln für den Umgang mit und die Erforschung von Unterwasserkulturgut vor.6

Als Unterwasserkulturerbe i. S. d. UNESCO-Konvention 2001 gelten alle Spuren menschlicher Existenz, die mehr als 100 Jahre – sei es gänzlich, sei es zum Teil – unter Wasser gelegen haben und von kultureller, historischer oder archäologischer Bedeutung sind.7

Da vom Kulturgutbegriff der UNESCO-Konvention 2001 somit auch der Fundzusammenhang mit umfasst ist, gewährleistet die Konvention – im Gegensatz zum bisher allein anwendbaren Internationalen Seerechtsübereinkommen – ganzheitlichen Fundstättenschutz.8

Die Konvention verpflichtet die Unterzeichnerstaaten in erster Linie, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Staatsangehörigen bzw. Kapitäne von unter ihrer Flagge fahrenden Schiffen etwaige Funde melden, deren Bestand schützen und keinen illegalen Handel mit Unterwasserkulturgut treiben.9

Da archäologisches Unterwasserkulturgut einerseits aus den oben genannten Gründen von herausragender wissenschaftlicher Bedeutung sein kann, andererseits aber gerade hier das Problem der mutwilligen Zerstörung einer Fundstätte nach deren Plünderung – um etwa Spuren der kriminellen Handlung zu verwischen – wegen der viel schwierigeren Kontrollierbarkeit auf den Meeren besonders gravierend erscheint, ist weltweiter effektiver Schutz dieses Erbes dringend geboten.10 Eine Ratifikation der UNESCO-Konvention zum Schutz des Unterwasserkulturerbes 2001 kann jedenfalls zur Erreichung dieses Zieles beitragen.

Von wesentlicher Bedeutung ist auch, die Öffentlichkeit (sowie möglichst viele Sporttaucher) für den dringend notwendigen Schutz des Unterwasserkulturerbes zu sensibilisieren und entsprechendes Bewusstsein für die einzigartige kulturhistorische Bedeutung von Unterwasserdenkmälern zu schaffen.11

Eines sollte jedenfalls nie vergessen werden: Unterwasserkulturgüter sind Bestandteil des gemeinsamen Kulturerbes der gesamten Menschheit und als solche einzigartig und unersetzbar – einmal zerstört sind sie für immer verloren.


 1 Siehe Reichelt/Topal-Gökceli, Versunkene Welten. Rechtlicher Schutz des Unterwasserkulturerbes, in: Boele-Woelki/Einhorn/Girsberger/Symeonides (Hrsg.), Convergence and Divergence in Private International Law, 2010, S. 833. Zum Schutz archäologischen Kulturgutes siehe insbesondere auch Siehr, Rechtlicher Schutz archäologischer Kulturgüter, in Heilmeyer/Eule (Hrsg.), Illegale Archäologie?, 2004, S. 76-95.

 2 Vgl. Reichelt/Topal-Gökceli, Versunkene Welten. Rechtlicher Schutz des Unterwasserkulturerbes, S. 834. Zum Fund siehe auch Mitchell, Archaeology in Asia Minor 1985-1989, Archaeological Reports, Nr. 36, 1989-1990, S. 86 f.

 3 Reichelt/Topal-Gökceli, Versunkene Welten. Rechtlicher Schutz des Unterwasserkulturerbes, S. 835.

 4 Reichelt/Topal-Gökceli, ebd.

 5 Siehe Doc. 31C/24. Derzeit hat die Konvention 38 Vertragsstaaten.

 6 Siehe Topal-Gökceli, Die UNESCO-Konvention zum Schutz des Unterwasserkulturerbes – ein Überblick, in: Kunst und Recht Bulletin 1/2010, S. 30. Von welch großer Bedeutung eine Ratifikation der UNESCO-Konvention für den Schutz des Unterwasserkulturerbes wäre, zeigt ein Beispiel aus der allerjüngsten Vergangenheit: Aus einem im Jahr 2004 vor der Küste Javas entdeckten Schiffswrack aus dem 10. Jahrhundert konnten insgesamt 270 000 Artefakte von großer wissenschaftlicher Bedeutung (u. a. chinesische Keramik, Gold, Münzen, Schmuck und Kultobjekte) geborgen werden, von denen aber nun ein großer Teil von Seiten der indonesischen Regierung verkauft werden soll. Am 6. Mai 2010 äußerte UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova ihre große Sorge bezüglich des geplanten Verkaufs, hob in diesem Zusammenhang die wesentlichen Schutzprinzipien der Unterwasserkulturerbe-Konvention – u. a. das Unterwasserkulturerbe bestmöglich zu bewahren und es der wissenschaftlichen Forschung als auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – hervor und riet zu einer baldigen Ratifikation der Konvention. Vgl. Topal-Gökceli, Die UNESCO-Konvention zum Schutz des Unterwasserkulturerbes, S. 30, Fn. 3.

 7 Art. 1 lit. a UNESCO-Konvention 2001. Die Definition erfolgt anhand einer allgemeinen Kategorisierung gefolgt von einer – sehr kurzen – beispielhaften Aufzählung. Vgl. Topal-Gökceli, Die UNESCO-Konvention zum Schutz des Unterwasserkulturerbes, S. 30.

  8 Reichelt/Topal-Gökceli, Versunkene Welten. Rechtlicher Schutz des Unterwasserkulturerbes, S. 840.

 9 Illegaler Handel mit Unterwasserkulturgut ist jedenfalls zu unterbinden. Siehe Topal-Gökceli, Die UNESCO-Konvention zum Schutz des Unterwasserkulturerbes, S. 31.

10 Reichelt/Topal-Gökceli, Versunkene Welten. Rechtlicher Schutz des Unterwasserkulturerbes, S. 844.

11 Dies wird am besten durch Aufklärung erreicht, die von Vorträgen bei Clubabenden einzelner Tauchclubs bis zum Angebot von Sonderbrevets durch nationale und internationale Tauchverbände reichen kann. Derartige Kurse werden bereits vom Verband Deutscher Sporttaucher e. V. und vom Österreichischen Tauchsportverband angeboten. Absolventen können danach in Zusammenarbeit mit den Denkmalpflegebehörden Monitoring-Aufgaben übernehmen und durch regelmäßige Kontrolltauchgänge Veränderungen des Zustandes der Fundstätten sofort feststellen und melden.